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Die Tierhaltung in Deutschland steht in der Kritik.

Ob es sich dabei um Einzelfälle handelt oder die Systemfrage gestellt werden muss, war diese Woche das Thema einer aktuellen Stunde des Bundestages. Der Agrarjournalist Dietrich Holler bezieht Position.

Die Landwirtschaft und namentlich die Tierhaltung sind mittlerweile Themen von höchster politischer Brisanz. Im bevorstehenden Bundestagswahlkampf dürfte „das liebe Vieh“ für Diskussionen sorgen. Haben sich viele Landwirte über Jahrzehnte vom ehedem konservativen Umfeld vertreten gefühlt oder liberale Ideen unterstützt, so hat diese Allianz deutliche Brüche bekommen.

Was ist geschehen? Eine monothematische Minderheitenpartei sagt inzwischen wo es lang geht in der deutschen Landwirtschaft. Sobald die von arrivierten Besserverdienern, gerne aus dem öffentlichen Dienst, dominierte Klein-Partei an einer Regierung beteiligt ist, wird das Landwirtschaftsministerium im doppelten Sinne zum „grünen Ressort“, um es mittelfristig in eine dogmatisch geprägte Institution zu wandeln.

Dort wird viel über „Tiere“ geredet – gemeint sind Nutztiere, die ihre Existenz ausschließlich der Tatsache verdanken, dass sie für die menschliche Ernährung gedacht sind. Die Menschen in der Landwirtschaft – sprich die Bauern-, ihre Familien und Mitarbeiter, werden zum Randthema. Sie spüren das jeden Tag. Oder, es geschieht genau das Gegenteil: Die Landwirtschaft steht im medialen Fokus als ein Berufstand, der auf dem Acker und im Stall nichts als Unheil anrichtet.

So kann es nicht weitergehen. Zwar versuchen zahlreiche löbliche Initiativen aus der Landwirtschaft zu vermitteln, doch die Frage ist: Was und zwischen wem wollen sie vermitteln? Die schweigende Mehrheit wird davon selten erreicht und sie verspürt ein wachsendes Grollen, wenn im Gegenzug schlecht gelaunte Besserwisser lautstark erklären, warum das Schnitzel ein Vergehen darstellt. Der Veggie-Day ist als Offensive gescheitert und soll nun durch die Hintertür kommen. Geht es noch? Die Landwirtschaft produziert selbstverständlich in Massen. Was denn auch sonst? Massen von Menschen wollen essen und empfinden das nicht als politischen Akt, sondern als Ausdruck von Lebensfreude.

Die Bauern müssen raus aus der Rechtfertigungsecke und dafür existieren Verbündete, die in der Mehrheit und nicht in den Meinungseliten zu finden sind.

Das entbindet die Landwirtschaft nicht davon, Missstände in den eigenen Reihen abzustellen. Fraglos gibt es Landwirte, die Tiere verantwortungslos halten oder ihre Arbeit im Feld nur bedingt beherrschen. Sie sind die Ausnahme und müssen weg. Wer aber deswegen die Systemfrage „Landwirtschaft und Tierhaltung“ stellt, muss erklären, wie es weiter gehen soll. Niemand würde die Bauwirtschaft abschaffen wollen, weil ein unbegabter Maurer eine Wand schief hochzieht. Selbst wenn es Pfusch am Bau gibt, wünscht sich jeder ein Zuhause. Auch, wenn es schlechte Tierhalter gibt, muss etwas auf den Tisch.

Das weiß die (noch) schweigende Mehrheit und sie würde nicht zum ersten Mal anders entscheiden als man von ihr erwartet. Möglicherweise am Ende eines „tierischen Wahlkampfes“.

Dieser Beitrag ist am 30.09.2016 in EURACTIV erschienen