Kirsten Tackmann kritisiert den „irrrealen Wettbewerb“ um landwirtschaftliche Flächen. Für die agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke steht eindeutig fest: Nachhaltigkeit und kurzfristige Profitmaximierung sind unvereinbar.
Wer ist der bessere Landeigentümer – ein an Nachhaltigkeit orientierter landwirtschaftsfremder Investor oder ein landwirtschaftlicher Betrieb mit mäßigem Management?
Kirsten Tackmann: Uns Linken geht es vor allem um das besondere Schutzgut Boden und die Sicherung des Zugangs für ortsansässige Betriebe im Interesse der Region. Agrarholdings wie die KTG mit einem undurchsichtigen Netzwerk von über 90 Tochterunternehmen stehen für eine ferngesteuerte Landwirtschaft mit Zwang zu kurzfristiger Profitmaximierung für Investoren.
Das ist mit nachhaltiger Landwirtschaft unvereinbar. Nach der Insolvenz ging der Boden an die nächste Heuschrecke. Das System ist falsch, nicht einzelne Investoren. Das Bodenrecht muss ortsansässigen Betrieben die Produktionsgrundlage sichern.
Mal ehrlich: Das hohe Pacht- und Kaufpreisniveau für landwirtschaftliche Nutzflächen ist doch das Ergebnis eines teilweise irrealen Wettbewerbs der Landwirte um die Flächen?
Dr. Kirsten Tackmann
Die agrarpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke ist ordentliches Mitglied und Obfrau im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gehört die promovierte Tierärztin aus Brandenburg als stellvertretendes Mitglied an.
Tackmann: Die Landwirte sind einem irrealen Wettbewerb ausgeliefert, dessen Regeln nicht mehr sichern, dass landwirtschaftliche Tätigkeit Bodenpacht oder -kauf refinanzieren kann. Das muss aber der Maßstab sein. Deshalb sind landwirtschaftsfremde Investoren auszuschließen.
In der Geflügelhaltung sind die Erzeuger mit der vertikalen Integration zufrieden. Was halten Sie vom „Lohnmäster“ als Vorbild für die gesamte Agrarwirtschaft?
Tackmann: Als Linke will ich unabhängige Landwirte, die von ihrer Arbeit leben und gleichzeitig den Naturreichtum erhalten können. Sie auf Rohstoff- oder Warenlieferanten zu reduzieren wäre fatal. Das würde sie noch mehr den inakzeptablen Übermachtstrukturen der Verarbeitungs- und Vermarktungskonzerne ausliefern.
Stattdessen wird eine am Gemeinwohl orientierte Landwirtschaft gebraucht, die auf Kreislaufwirtschaft orientiert ist und mit der Vielfalt, die uns die Natur bietet, gesunde Lebensmittel produziert sowie zu Wertschöpfung und lebendigen ländlichen Räumen beiträgt.
Wäre der Lebensmittelhandel der größte Nutznießer einer solchen Entwicklung mit einem strategisch abgesicherten „Sourcing“, sprich der „Beschaffung“ und dem „Aldi-Bauern“ als Imageträger?
Tackmann: Wie die Verarbeitungskonzerne ist der Handel bereits jetzt der Gewinner eines falschen Systems: Sie überlassen das gesamte Produktionsrisiko den Erzeugerbetrieben und beteiligen sich nicht adäquat an den Produktionskosten. Diese Marktübermacht von Handels-, Molkerei- und Schlachtkonzernen muss kartellrechtlich beschränkt statt ausgeweitet werden. Richtig wäre aber, Liefermengen nachfrageorientiert zu steuern.
Erkennen Sie verfassungsrechtliche Grenzen, wenn Sie nur Landwirte als Käufer und Pächter von landwirtschaftlicher Nutzfläche zulassen?
Tackmann: Im Grundstücksverkehrsgesetz ist bereits geregelt, dass der Verkauf landwirtschaftlicher Flächen an Nicht-Landwirte von den Landkreisen genehmigt werden muss. Das wird durch Anteilskäufe unterlaufen. Es geht also vor allem um eine Anpassung des Rechts an eine neue Realität und die Verantwortung für das Schutzgut Boden.
Das Interview führte Dietrich Holler, vox viridis, Berlin
Das Gespräch ist am 25. August 2017 im DLG-Mitgliedernewsletter erschienen