Die deutsche Agrarbranche muss sich langfristig auf Kürzungen der Hilfe aus der EU einstellen, erklärte ein ranghoher Funktionär aus Brüssel. Dabei ist die letzte Landwirtschaftskrise noch gar nicht überstanden.
Linstow. Die deutschen Bauern müssen sich langfristig auf weniger Unterstützung durch die EU einstellen.Allein durch den Austritt Großbritanniens werde es zu Finanzausfällen kommen, die sich nach 2020 auswirken, erklärte Rudolf Mögele von der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission am Mittwoch in Linstow bei einer Podiumsdiskussion.
Einige Bauern im Land seien von den Direktzahlungen aus Brüssel abhängig, so Mögele. Es müsse dringend eine Diskussion darüber stattfinden, was passiere, wenn diese Hilfe wegfalle. Hermann Onko Aikens, CDU-Staatssekretär im Bundesagrarministerium, warnte außerdem davor, EU- Direktzahlungen für Landwirte zugunsten von bestimmten Umweltprojekten umzuschichten. Dieses Umschichten von der ersten in die zweite Säule der Förderung habe das Bundesumweltministerium in Berlin vorgeschlagen. „Das Geld wird nicht mehr, wenn sich Beamte und Politiker um Umverteilung kümmern.“ Ungeachtet der Probleme der Agrarbranche mit teuren Bodenpreisen und zu niedrigen Milch- und Fleischpreisen rechnet das Bundesministerium damit, dass im Osten Deutschlands noch mehr Vieh gehalten werden könne, sagte Aikens. Dann dürfe den Bauern aber das Bauen von Ställen nicht weiter erschwert werden. Die meisten Genehmigungen würden dabei an Umweltauflagen oder dem Widerstand bestimmter gesellschaftlicher Gruppen scheitern. Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) kritisierte, dass wegen der Nullzinspolitik der EU immer mehr reiche Unternehmer in die Agrarbranche drängten. Das verteure den Boden immer mehr. „Wer in der Industrie Erfolg hat, leistet sich wie früher ein Gut im Nordosten.“ Besser sei es aber, wenn der Besitz beim „Landwirt vor Ort“ bleibe.
Als „schlechtes Beispiel“ dafür, wie EU-Geld an der Region vorbeifließe, nannte Aikens das Ende des Konzerns KTG Agrar, der Mitte 2016 in Insolvenz gegangen war. Die Firma war der mit 800 Mitarbeitern und mehr als 46 000 Hektar größtenteils in MV und Brandenburg bewirtschafteter Fläche der größte deutsche Agrarkonzern. Am Ende hatte der Betrieb rund 10 000 Gläubiger. Nun kämen die Direktzahlungen einem Rückversicherer in München und dem jetzigen Bodeneigentümer in Liechtenstein zugute, sagte Aikens.
Die Landwirte befinden sich nach Angaben des Landesbauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern in einer schwierigen Situation. Die Milchpreise lägen mit 32 Cent pro Kilogramm Milch weiter zu niedrig, auch die Fleischpreise hätte sich noch nicht erholt. Außerdem sei die Ernte 2016 für viele Betriebe schlecht ausgefallen. Minister Backhaus kündigte einen „radikalen Bürokratieabbau“, um den Bauern zu helfen. Die Agrarbranche gehört mit 21 000 Beschäftigten allein in MV zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen des Landes.
Dieser Beitrag ist am 23. 02. 2016 in der Ostsee-Zeitung erschienen