Liberaler mit Biss: Gero Hocker ist agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Die Gemeinnützigkeit und demokratische Legitimation von Tierrechtsorganisationen betrachtet der 42-Jährige sehr kritisch.
Sie sind neu – im Bundestag und in der Agrarpolitik: Macht es noch Freude?
Gero Hocker: Auf jeden Fall! Und ich hoffe, dass wird klar aus dem, was ich sage und tue.
Sie finden das Zwei-Säulen-Modell der Gemeinsamen Agrarpolitik gut. Erstaunlich, dass ein FDP-Politiker ein Subventionsmodell erhalten will.
Hocker: Das ist eine Güterabwägung. Die FDP ist keine Partei, die Subventionen bevorzugt, wenn es andere Möglichkeiten gibt, aber die fehlen leider in der Agrarpolitik. Wer die Gemeinsame Agrarpolitik fundamental ändern will, insbesondere die Direktzahlungen, stellt die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland grundsätzlich in Frage.
Gero Hocker
Gero Hocker befürwortet die Direktzahlung der EU-Agrarpolitik. Daran etwas zu ändern stelle die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland in Frage.
Es ist nun mal so, dass die Ansprüche an die Landwirtschaft fortlaufend steigen und die Erzeuger diesen Aufwand nicht am Markt erwirtschaften können. Wir wissen alle, dass die Verbraucher nicht bereit sind, den notwendigen Betrag für hochwertige Lebensmittel zu bezahlen. Das kann man beklagen, aber kein anderes Verhalten erzwingen. Also muss die Lücke durch die erste Säule kompensiert werden. Wenn die Landwirtschaft sich von Standorten mit schwierigen Bedingungen zurück ziehen würde, hätte das schwerwiegende Folgen für die ländlichen Räume. Das können und müssen wir verhindern.
Die Förderpolitik hat den Strukturwandel nicht aufgehalten.
Hocker: Ohne die gemeinsame Agrarpolitik einschließlich Direktzahlungen wären die Folgen noch viel gravierender. Ich bleibe dabei: Ohne die Mittel der ersten Säule hätten die Landwirte gerade auf schlechten Standorten sehr schlechte Perspektiven und keine Planungssicherheit. Das ist übrigens nicht nur meine Meinung, sondern Konsens innerhalb der FDP.
Das Heilsversprechen der Globalisierung ist schon noch ein Thema Ihrer Agrarpolitik, oder?
Hocker: Wenn Sie auf Exporte ansprechen, dann bekommen Sie ein klares „ja“. Es lohnt sich, bei den Exporten mal genauer hinzuschauen. Was in andere EU-Staaten ausgeführt wird, kann in einem Gemeinsamen Binnenmarkt nur bedingt als „Export“ bezeichnet werden. Die Ausfuhren in Drittstaaten halte ich für richtig. Deutsche Lebensmittel sind erstklassig und es ist gut, dass sie auf der ganzen Welt nachgefragt werden. Der Export muss klaren marktwirtschaftlichen Maßstäben folgen. Entsprechende Subventionen sind seit Jahren folgerichtig abgeschafft.
Flächendeckende Landwirtschaft und Subventionen ja, Export ebenfalls, aber ohne Förderung: Skizzieren Sie bitte mal deutlicher, welche Landwirtschaft Sie wollen.
Hocker: Dann fange ich erst mal mit dem an, was die FDP nicht will. Das grüne Bild einer „bäuerlichen Landwirtschaft“ gibt es nur im Bilderbuch und da gehört es hin. Wenn ich sehe, wie die Grünen sich im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft positionieren, dann bin ich froh, dass wir so etwas nicht mit vertreten müssen. Wir halten dagegen viel von gesunden Strukturen mit sozial im ländlichen Raum eingebundenen landwirtschaftlichen Familienunternehmen. Wenige große Investoren, die sich den Markt aufteilen, lehnen wir ab. Die Familienunternehmen benötigen Akzeptanz in der Gesellschaft.
Das mit der Akzeptanz in der Gesellschaft sagen alle: Mangelt es der Landwirtschaft wirklich an Akzeptanz in der Durchschnittsbevölkerung?
Hocker: Bedauerlicherweise ja. Für vieles, was in Umweltfragen nicht optimal läuft, werden die Bauern verantwortlich gemacht. Schlagworte wie Gülle, Pflanzenschutz und Antibiotika haben reflexhafte Kritik an der Landwirtschaft zur Folge. Die Landwirte sind die Sündenböcke. Das muss sich ändern. Bestehende Probleme will ich nicht klein reden, aber vor allem in den Städten herrschen falsche Bilder von der Landwirtschaft: Entweder das beschriebene Bilderbuch-Idyll oder das Negativimage. Es wissen zu wenige, dass die Landwirtschaft ein hochtechnologisches Business von best ausgebildeten Profis ist. Die Spreizung zwischen städtischen Milieus und der Landwirtschaft ist unverkennbar.
Und die NGO vertiefen diesen Graben.
Hocker: Umweltorganisationen wie Nabu oder Bund haben nicht zuletzt dank ihrer regionalen Arbeit ihre Berechtigung. Was gar nicht geht, sind so genannte Tierrechtler, die mit der steuerbegünstigten Gemeinnützigkeit in Ställe einbrechen und daraus ein Geschäftsmodell entwickeln, indem sie Dinge skandalisieren. Wenn wirklich dort etwas nicht in Ordnung sein sollte müssten die Tierrechtler das umgehend melden, damit der Missstand zum Wohle der Nutztiere abgestellt wird. Darum geht es jedoch nicht, denn die Videos sind Teil einer Gelddruckmaschine. Davon abgesehen: Wer legitimiert diese Art von NGO fachlich und organisatorisch? Abgeordnete, auf allen politischen Ebenen, sind gewählt. Oder ehrenamtliche Fachleute wie Jäger und Angler: Sie verfügen über eine Prüfung als Naturexperten. Viele sogenannte Tier- und Umweltorganisationen haben „Mitglieder“, deren einzige Beziehung zur Organisation in einem Dauerauftrag besteht. Das muss politisch und rechtlich auf den Prüfstand.
Politisch können Sie derzeit nur aus der Opposition agieren.
Hocker: Warum wir nicht mit den Grünen wollten und das weiterhin richtig ist, habe ich Ihnen ja gesagt. In den vergangenen Jahren hatten Landwirtschaft und ländliche Räume im Parlament keine echten Fürsprecher. Die Kanzlerin, die Bundesministerin und ansonsten sehr geschätzte Kollegin Julia Klöckner, sowie erst recht ihr Vorgänger hatten, respektive haben, wenn es um Taten geht, diese Politikbereiche aus den Augen verloren. Alles ein wenig durchgegrünt und negativ unterstützt vom Koalitionspartner. Für die SPD spielen Landwirtschaft und ländliche Räume nicht wirklich eine Rolle. Wir als FDP sorgen dafür, dass Landwirtschaft und ländliche Räume intensiver im Parlament diskutiert werden.
Das Gespräch führte Dietrich Holler, vox viridis, Berlin